Politische Bildungsreise nach Berlin 2024

Bericht über die Politische Bildungsreise nach Berlin vom 30.09. – 02.10.2024 für die ehrenamtlichen Gruppenleiter
des Arbeitskreis Depressionen und Ängste

Politische Bildungsreise nach Berlin - Gruppenfoto Reisegruppe Berlin

Im Jahr 2023 bewarb sich unser Arbeitskreis für die Politische Bildungsreise nach Berlin über das Büro der Linken, Herrn Bernd Riexinger in Stuttgart. Die Bildungsreise wurde zusammen mit den demokratischen Parteien sowie dem Bundespresseamt durchgeführt. So wurde unsere Gruppe dann für eine 4-tägige Reise für Herbst 2024 ausgewählt und so reisten 9 Gruppenleiter und die meisten mit Partner, mit der Deutschen Bahn nach Berlin-Ostbahnhof. Untergebracht waren wir zentral Nähe Nikolaiviertel in einem schönen Hotel. Von dort aus machten wir per Reisebus Ausflüge zu verschiedenen Punkten der Stadt, die das Bundespresseamt für uns organisiert hat.

Gedenkstätte Berlin-Plötzensee

Am Montagvormittag, den 30. September besuchten wir zunächst die Gedenkstätte Plötzensee in Berlin-Charlottenburg und durften dort an einer Führung teilnehmen. Die Justizvollzugsanstalt Plötzensee ist bis heute in Betrieb. Der Name Plötzensee steht vor allem für die Unrechts-Justiz durch den Nationalsozialismus. Allein hier wurden mehr als 2.800 Menschen aus dem Berliner Raum hingerichtet. Ihr Vergehen war, Kritik am Nazi-Regime zu üben oder gegen es gearbeitet zu haben.

In einer Dauer-Ausstellung werden Opfer, Täter und deren Henker porträtiert. Es ist ein schauriger Ort, an dem man gar nicht weiß, wohin mit seinen Gefühlen.

Neu für mich war über die menschenverachtende Denkweise der Nationalsozialisten in der Wahl der Hinrichtungsmethoden zu erfahren. Denn in Plötzensee wurden nur Arier hingerichtet. Abgestuft in „würdevoll und schnell mit der Guillotine“, „etwas weniger würdevoll durch Erhängen“, sonstige Nichtarier, Kommunisten, Religiöse sowie Homosexuelle wurden in eine quälende Haft bis hin zur Exekution in Konzentrationslager gebracht.    

Eigentlich kann man jedem Rechtsgesinnten nahe legen, diesen Ort zu besuchen und zu verstehen, wohin Radikalismus und Menschenverachtung führen. 

Der Spruch „Denn der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch. Das gilt zum mindesten solange, als man sich nicht kennt.“ geisterte mir im Kopf herum.

Es war gut, diesen beklemmenden Ort wieder zu verlassen und sich dann weiter in einer freien Gesellschaft bewegen zu können.

Politische Bildungsreise nach Berlin: Berlin Plötzensee - „Meldung des Vollzug des Todesurteils an einem 17-Jährigen“,
Foto zur Gedenkstätte Plötzensee.
„Meldung des Vollzug des Todesurteils an einem 17-Jährigen“

Rosa-Luxemburg-Stiftung

Nach einem Mittagessen ging es weiter in die Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Nähe vom Berliner Ostbahnhof.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine politische Stiftung, welche der Partei Die Linke nahesteht. Sie wurde 1990 gegründet und setzt sich für demokratische Bildung, soziale Gerechtigkeit sowie internationale Solidarität ein.

In einem Podiumssaal wurde uns die Stiftung und deren Arbeit mit Lichtbildern unter der Moderation eines Mitarbeiters der Stiftung vorgestellt.

Ziel einer politischen Stiftung ist es, politische Bildung zu fördern, gesellschaftliche Zusammenhänge zu analysieren und progressive Debatten anzustoßen. Dafür bietet sie unter anderem Seminare, Vorträge, Publikationen und Förderprogramme an. Mit Büros in über 25 Ländern unterstützt die Stiftung auch internationale Projekte, insbesondere in den Bereichen Menschenrechte und soziale Bewegungen.

Parteinahe Stiftungen verfolgen mehrere Ziele: politische Bildung, Forschung und Analyse. Programme für internationale Zusammenarbeit und Begabtenförderung, Stipendien für Studierende und Wissenschaftler, die sich für die Werte und Ziele der politischen Stiftung einsetzen.

In Deutschland gibt es die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah), Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah), Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP-nah), Heinrich-Böll-Stiftung (Grünen-nah), Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke-nah) und die Erasmus-Stiftung (AfD-nah).

Parteinahe Stiftungen in Deutschland werden durch staatliche Mittel finanziert, da ihre Arbeit als Beitrag zur politischen Bildung, Demokratieentwicklung und Lobby-Arbeit für politische Vielfalt verstanden wird. Die Höhe der Mittel orientiert sich an der parlamentarischen Stärke der zugehörigen Partei. Da die Finanzierung aus Steuergeldern erfolgt, unterliegen Stiftungen strengen Transparenzvorgaben und müssen nachweisen, dass ihre Mittel unabhängig, für gemeinnützige Zwecke und nicht parteipolitisch genutzt werden.

Die Linken sind durch die letzten Wahlen politisch stark geschwächt geworden und falls sie nicht mehr ins Parlament gewählt werden sollten, steht das finanzielle Aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Raum.

Entgegengesetzt die Entwicklung für die jüngst gegründeten Erasmus-Stiftung der AfD: sie erhalten jetzt umfassende staatliche Gelder, um sie aufzubauen, was ja auch medial kritisch begleitet wird.

Nach dieser Vorstellung war Zeit für Rückfragen aus unserer Gruppe, z.T. aber einfach nur Statements und Unmut Einzelner über gesellschaftliche Missstände, persönliche Betroffenheit bis hin zu Verärgerung über die Deutsche Bahn, Flüchtlingssituation, Gesundheitssystem und allgemeiner Politikfrust.

Der Moderator hakte sich mit Linken-Positionen ein und versuchte politische Zusammenhänge aus Linken-Sicht zu erklären, zu manchen Themen zeigte er Verständnis oder er ließ den Unmut Einzelner dann aus Zeitgründen einfach so stehen.

Für mich war das Eintauchen in die Welt der politischen Stiftungen sehr interessant, zuvor hatte ich mir über deren Arbeit und Finanzierung weit weniger Gedanken gemacht.

Besuch des Reichstages

Nach der Ankunft steht zunächst ein Sicherheitscheck an, wie wir ihn vom Flughafen kennen. Mit Blick auf den Plenarsaal nehmen wir auf den Besucherrängen Platz. Es findet keine Debatte statt, dafür erhält eine Schulklasse von einem Mitarbeiter des „hohen Hauses“ eine kleine Lehrstunde der Demokratie, beschreibt die Sitzverteilung und Gepflogenheiten der Parteien. Nach gut 30 Minuten verlassen wir die Tribüne und finden uns in einem Besucherzimmer ein. Dort treffen wir einen engen Büromitarbeiter von Bernd Riexinger, welcher nicht persönlich vor Ort sein kann. Er berichtet von der Arbeit im Verkehrsausschuss. Zum Schluss ist noch Zeit für Fragen und eine kleine Diskussion, bevor wir uns zum Gruppenfoto aufstellen

Lichtkuppel Reichstag
„Lichtkuppel im Reichstag“

Die Dokumentation „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ist eine Ausstellung zum Thema erzwungene Migration und Vertreibung im 20. Jahrhundert.  Die Dauer-Ausstellung umfasst eine Vielzahl von Exponaten, darunter historische Fotografien, persönliche Gegenstände, Dokumente und interaktive Medienstationen, die das Leid, aber auch die Neuanfänge der Vertriebenen beleuchten.

Ein großer Teil der Ausstellung thematisiert die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Rundgang gliedert sich in verschiedene Themenbereiche, die nicht nur deutsche, sondern auch weltweite Flucht- und Vertreibungsschicksale einbeziehen. Ein besonders eindrückliches Highlight ist ein Raum mit Audio- und Videostationen, an denen Zeitzeugenberichte zu hören und zu sehen sind. Außerdem wird der Besucher eingeladen, über die Bedeutung von Heimat und Identität nachzudenken.

Der Besuch dieser Dokumentationsstelle hat mich sehr berührt. Er lässt einem klar verstehen, dass die Menschen, die ihre Heimat verlassen, triftige Gründe dafür haben. Kriege, religiöser Radikalismus, Rassismus, Not und Hunger zwingen Menschen zur Flucht. Früher wie auch im großen Stil heute. Das Leid, die Entwurzelung, die Gefahren einer Flucht und die zum Teil ablehnende Haltung in den aufnehmenden Ländern wurde gut dargestellt.

Es stellen sich viele Fragen über den Kolonialismus der Vergangenheit, über Ungerechtigkeiten und Ausbeutung, den heutigen Welthandel, Friedensmissionen, Entwicklungshilfe für arme Staaten und die Ignoranz der reichen überlegenen Länder.

Eine Bankrott-Erklärung unserer Moral mit afrikanischen Flüchtlingen umzugehen ist das „Massengrab Mittelmeer“.  

Flucht von Deutschen 1945
Das Foto ist aus der Dokumentationsstelle „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“
Titel: „Deutsche auf der Flucht 1945“

Jüdisches Museum

Das Jüdische Museum im Berliner Ortsteil Kreuzberg ist das größte jüdische Museum in Europa. Es wurde im September 2001 als Stiftung öffentlichen Rechts eröffnet und vermittelt die Geschichte und Kultur der jüdischen Menschen als Minderheit in Deutschland

Sehr beeindruckend war eine Videoinstallation: Jüdische Menschen unterschiedlichen Alters sprechen in kurzen Monologen von ihrem Leben, ihrer Religion und ihrem Alltag.

Jüdische Künstler und Wissenschaftler haben unser Leben maßgeblich bis heute geprägt Die Wall of Fame zeigt unter anderen: Kurt Tucholsky, Amy Winehouse, Rosa Luxemburg, Leonard Cohen, Marc Chagall, Leonard Bernstein

Die Architektur des Gebäudes ist sehr besonders, sie symbolisiert im Baustil die Geschichte des jüdischen Volkes und lädt zum Staunen und Verstehen ein. Ein unbedingtes Muss für alle Berlinreisenden.

Tabelle Hinrichtungen Berlin Plötzensee
Die genaue Anzahl der in Plötzensee Hingerichteten ist 2883 Menschen
von 1933 bis 1945.

Abschliessend bleibt zu sagen:

Emotional war die Gedenkstätte Plötzensee für mich sehr anstrengend. In der Corona-Quarantäne, im November 2020 hörte ich eine Feature zum 100. Geburtstag von Cato Bontjes van Beek. Eine beeindruckende junge Frau, die mir wieder in Erinnerung kam, als im Reiseplan „Plötzensee“ stand. Sie wurde dort ermordet. Während der Busfahrt zu dieser Gedenkstätte habe ich der „Reisegesellschaft“ meinen „Nachruf“ vorgelesen.

Nachruf Cato Bontjes van Beek

Moni aus der SHG Fellbach und Ralph aus der SHG Ditzingen

Information zu Bildungsurlaub

Für einen Bildungsurlaub (in manchen Bundesländern als Bildungsfreistellung oder Bildungszeit bezeichnet) müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeiter*innen bezahlten Urlaub für eine Weiterbildung geben. Darauf haben die Beschäftigten (in 14 von 16 Bundesländern) einen gesetzlichen Anspruch. Bildungsurlaub wird zusätzlich zum regulären Urlaubsanspruch gewährt – für Bildungsurlaub wird also kein Erholungsurlaub gekürzt oder abgezogen. Der Inhalt der Weiterbildung muss nicht zwangsläufig mit der beruflichen Tätigkeit in Verbindung stehen.

In der Regel haben Arbeitnehmer*innen Anspruch auf 5 Tage Bildungsurlaub pro Jahr beziehungsweise 10 Tage in 2 Jahren.

Quelle: Deutscher Gewerkschaftsbund